Warum Marken oft am Kunden vorbeireden

25.5.2025
New Perspective

Es geht um Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit, Preis-Leistung, Werte, USPs, Features. Aber keine dieser Schlagworte berühren dich wirklich. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde dir jemand stolz sämtliche Kamera-Features aufzählen: 24 Megapixel, Blende 1.8, ISO-Werte bis 25.600 und so weiter. Dabei willst du doch einfach nur ein schönes Foto mit deiner Familie, auf dem alle gleichzeitig die Augen offen haben.

Von
Michaela Pleiner
Illustration eines roten Akkuschraubers in einem stilisierten Retro-Look, eingerahmt von drei ineinander hängenden, roten Bilderrahmen auf körnigem, blau-beigem Hintergrund – Konzeptbild für Handwerk, Werkzeug oder kreative Ideen mit Vintage-Ästhetik.

Kennst du das? Eine Marke spricht dich an - aber irgendwie nicht mit dir.

Es geht um Qualität, Innovation, Nachhaltigkeit, Preis-Leistung, Werte, USPs, Features. Aber keine dieser Schlagworte berühren dich wirklich. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde dir jemand stolz sämtliche Kamera-Features aufzählen: 24 Megapixel, Blende 1.8, ISO-Werte bis 25.600 und so weiter. Dabei willst du doch einfach nur ein schönes Foto mit deiner Familie, auf dem alle gleichzeitig die Augen offen haben.

Willkommen in der Welt der Kommunikationsblindspots. Viele Marken denken Kommunikation nämlich vorrangig aus sich heraus: aus der Perspektive der eigenen Produktwelt, der internen Wertearbeit, der vielleicht x-ten USP-Debatte. Was ja auch verständlich ist, immerhin ist das die Seite, auf der sie sich befinden. Aber was dabei oft auf der Strecke bleibt, ist ein Perspektivenwechsel. Und damit genau das, was den Unterschied macht.

Die Sprache der Zielgruppe sprechen

Ein Framework, das mir zu diesem Thema stark im Gedächtnis hängen geblieben ist, ist „Jobs to be Done“ von Bob Moesta. Seine Kernaussage bringt es auf den Punkt: „Menschen kaufen keine Produkte. Sie beauftragen sie, ein Problem für sie zu lösen.“ Klingt simpel, ist aber radikal. Denn die Aufgabe eines Produktes liegt nie im Produkt selbst. Niemand kauft eine Bohrmaschine wegen des Motors. Sondern weil das fertige Loch in der Wand etwas ermöglicht: ein Bild aufhängen, das Zuhause verschönern, etwas fertigstellen, was man sich selbst vorgenommen hat.  

Dahinter steckt nicht immer nur ein funktionaler, sondern häufig auch (oder sogar vorrangig) ein emotionaler Nutzen: Stolz. Selbstdarstellung. Prestige. Verbundenheit mit einer Community. Gute Markenkommunikation erkennt diesen doppelten Auftrag. Und so kann der Job, für den eine Person ein Produkt beauftragt, auch ein Gefühlszustand sein. Vor allem dann, wenn es kaum Unterschiede zu Konkurrenzprodukten auf der Produktebene gibt, kann dies der entscheidende Faktor sein.

Hier kommt noch ein zusätzliches Problem ins Spiel, das viele unterschätzen: Unternehmen sind naturgemäß Expert*innen für ihr Produkt. Kund*innen sind es nicht. Was für unternehmensinterne Personen glasklar scheint, weil sie sich täglich damit beschäftigen, ist aus Sicht der Kund*innen möglicherweise irrelevant, unverständlich oder sogar unsichtbar. Dieser Unterschied in Wissen, Zugang und Perspektive ist in vielen Fällen eine weitere Hürde, die dazu führt, dass Kommunikation nicht ankommt.

Nicht zu vergessen: Kontext, Kontext, Kontext

Ein zusätzlicher Schlüssel liegt in den Kontexten, in denen sich unsere Zielgruppen bewegen. Welche kulturellen Muster, gesellschaftlichen Narrative, Trends oder Tabus prägen ihre Wahrnehmung? Bevor wir Botschaften formulieren oder Kampagnen entwickeln, müssen wir verstehen, in welchem Raum diese überhaupt ankommen sollen.

Marken kommunizieren nie im luftleeren Raum. Sie treten immer in Beziehung, und zwar mit Menschen, die geprägt sind durch Zeitgeist, Subkulturen, Wünsche, Ängste und Erfahrungen. Wer das übersieht oder überspringt, verfehlt sein Ziel, oder noch schlimmer, bewirkt unabsichtlich das Gegenteil.

Augen öffnen statt Eindruck schinden

Viele Unternehmen kommunizieren in Listen: Feature 1, Feature 2, Benefit 3. Oder sie beschreiben sich selbst, anstatt sich in ihre Zielgruppen hineinzuversetzen. Oh, und das Logo bitte noch größer!

Kommunikation, die wirkt, entsteht anders:

  • Sie übersetzt Produktmerkmale in Alltagsnutzen und versteht, welche „Jobs“ Menschen erledigen wollen.
  • Sie spricht die Sprache der Zielgruppe und holt sie in ihrem Entscheidungsprozess dort ab, wo sie sich befindet, anstatt sich ihr aufzudrängen.
  • Sie denkt nicht angebots-, sondern nachfrageseitig: Was wollen wir auslösen? Welches Narrativ erzählen wir? Welche Rolle spielt die Marke/das Produkt im Leben der Menschen? Welcher Kontext umgibt sie?

Am Ende geht es nie darum, die meisten Features aufzulisten oder am lautesten zu sein. Was zählt, ist, dass die richtige Botschaft bei der richtigen Person ankommt. Niemand kauft etwas einfach so. Produkte werden von Menschen beauftragt, um „Jobs“ zu erfüllen. Und diese gilt es für Marken zu verstehen und für sich zu nutzen.

Und: Vielleicht braucht es manchmal auch nur Achtzehn Grad, um alles anders zu sehen.

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